Interview mit Landrätin Stefanie Bürkle
Stefanie Bürkle ist Landrätin des Landlreises SigmaringInterview stammt aus dem Jahr 2021. Einige Sachverhalte haben sich seitdem verändert. So ist die Entwicklun der Seniorenkonzeption bereits im Gange (Anerkung des Webmasters).
Frau Bürkle, Sie haben ja noch etwas Zeit, bis Sie ins Seniorenalter kommen. Beschäftigt Sie trotzdem manchmal der Gedanke, wie das wohl für Sie sein wird?
Ja, schon. In meiner Familie leben wir einen guten und engen Zusammenhalt. Ich habe erlebt, wie meine Großeltern älter geworden sind und wie dies nun meine Eltern und Schwiegereltern werden. Sie alle sind für mich Vorbilder, die meiner Generation helfen, gut unseren Weg durchs Leben, auch ins Alter hinein zu gehen.
Der Anteil der Menschen über 60 Jahre beträgt im Landkreis Sigmaringen rund 27 Prozent. Das ist eine ganze Menge. Hat man sich in den vergangenen Jahren im Landratsamt mit den Bedürfnissen dieser Bevölkerungsgruppe beschäftigt?
Im Landkreis geschieht viel, was auf die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe zugeschnitten ist. Wo immer das Leben von Seniorinnen und Senioren in unseren Entscheidungen betroffen ist, haben wir diese natürlich mit im Blick. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:
Wir stärken den ÖPNV mit den Regiobussen von Sigmaringen nach Überlingen oder Meßkirch oder zusätzlichen Rufbusangeboten, so dass Menschen auch ohne Auto mobil bleiben. Wenn es um Zusammenhalt geht, bestärken wir unsere Kommunen bei der Einrichtung von Mittagstischen, Initiativen für ambulant betreute WGs oder Nachbarschaftshilfen. Oder wenn wir nun über den richtigen Weg für eine zukünftige Biomüllsammlung diskutieren, haben wir natürlich auch die Interessen von Senioren mit im Blick.
Was plant die Kreisbehörde für die nahe Zukunft?
Das wichtigste für viele ältere Menschen ist: gesund zu bleiben! Mit unserer kommunalen Gesundheitskonferenz holen wir daher alle Experten an einen Tisch, um die Angebote der Ärzte, Einrichtungen und Kliniken gut aufeinander abzustimmen, und den Menschen selbst Tipps an die Hand zu geben, wie sie selbst durch aktives Tun in ihrem Leben ihre Gesundheit schützen und erhalten können.
Eine der größten Baumaßnahmen im Landkreis ist derzeit der Neu- und Umbau unserer Kliniken, die aktuell fast 100 Millionen Euro, allein am Standort Sigmaringen investieren, um den Menschen eine exzellente medizinische Versorgung vor Ort anbieten zu können.
Um die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren noch besser greifbar zu machen, möchten wir gemeinsam mit Seniorenvertretern und externen Experten in den nächsten Monaten und Jahren ein Seniorenkonzept erstellen. Aufgrund der Coronalage müssen wir leider den umfangreichen Beteiligungsprozess, der nur Sinn macht, wenn sich die Menschen auch begegnen können, auf das Frühjahr 2021 vertagen.
Ziel der Planung ist es, dem Kreistag und der Verwaltung eine fundierte Grundlage für Entscheidungen zu bieten, um genau das zu verwirklichen, was Senioren brauchen.
Wir schauen, was es schon gibt, überlegen aber auch, was noch nötig ist, um eine gute Versorgung für alle älteren Menschen im Landkreis zu gewährleisten. Wir versuchen dabei, bis ins Jahr 2030 Bedarfe und Angebote vorauszuberechnen. Dazu gehören Angebote ambulanter Dienstleister, der Tagespflege und die Angebote im Vor-und Umfeld der häuslichen Pflege sowie Angebote zur Entlastung pflegender Angehöriger. Aber auch die stationäre Pflege behalten wir im Blick.
Wer soll an diesem Seniorenkonzept beteiligt werden?
Wir wollen Senioren, Dienstleister, Experten aus der Verwaltung und Kreisräte zusammenbringen, damit all diejenigen mitarbeiten können, die betroffen sind, Leistungen anbieten oder politisch entscheiden, was verwirklicht wird.
Ein wichtiges Thema für ältere Menschen ist die Pflege. Wie sieht es da mit den Angeboten im ambulanten und stationären Bereich im Landkreis aus?
Wir haben im Landkreis rund 790 Plätze in stationären Pflegeeinrichtungen. In der Tagespflege haben wir 157 Plätze und sind ganz gut aufgestellt. In unserem ländlichen Kreis werden zum Glück noch viele Pflegebedürftige zu Hause von Angehörigen oder nahestehenden Personen gepflegt. Allen Pflegenden möchte deshalb an dieser Stelle auch einmal ein herzliches Dankeschön sagen. Für Sie dienen die Tagespflegen und die Kurzzeitpflegen als wichtige Ergänzung und Entlastung. Ein Brennpunktthema sind bei uns die Kurzzeitpflegen. Hier gibt es aktuell nicht genügend Plätze.
Im ambulanten Bereich gibt es im Landkreis drei anbieterverantwortete, ambulant betreute WGs für Senioren und pflegebedürftige Menschen, vier weitere befinden sich in Planung. Außerdem gibt es drei Angebote für intensivpflegebedürftige Menschen. In der ambulanten Versorgung arbeiten 17 Ambulante Pflegedienste.
Die Nachbarschaftshilfen, die in der ambulanten Begleitung durch Ehrenamtliche eine große Rolle spielen, sind mit 24 Angeboten im Kreis vertreten.
Hier sind wir überall ganz gut aufgestellt.
Die meisten älteren Menschen wollen ihren Lebensabend nicht im Heim verbringen. Was für Möglichkeiten sehen Sie, diesen Wunsch zu erfüllen?
Für alle, die in der Familie pflegen –und das sind bei uns im Kreis besonders viele- ist es wichtig, dass die oben aufgeführten Angebote wie Tagespflegen und Nachbarschaftshilfen unterstützend zur Seite stehen.
Eine weitere gute Möglichkeit sind ambulante betreute Wohngemeinschaften, weil auch hier viel Selbstbestimmung möglich ist. In diesem Bereich sehen wir großes Entwicklungspotential. Allerdings gilt es zu bedenken, dass es auch hier nicht ohne Unterstützung von außen geht, wenn Dinge nicht mehr selbst erledigt werden können.
Eine wichtige Stütze für viele Senioren ist der Pflegestützpunkt. Wie sehen da die Zukunftspläne aus?
Der Pflegestützpunkt feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Als neutrale und unabhängige Beratungsstelle bieten die Mitarbeiterinnen allen Ratsuchenden seither eine umfassende und kostenlose Beratung rund um das Thema Pflege an. Insbesondere Auskünfte über gesetzliche Leistungen, über wohnortnahe Pflege- und Betreuungsangebote und Hilfe bei der Antragsstellung und Inanspruchnahme von finanziellen Hilfen sind dabei an der Tagesordnung. Die Beratungen erfolgen im persönlichen Gespräch, telefonisch, entweder am Standort in Mengen oder bei den Ratsuchenden zuhause.
Künftig soll in allen 25 Kreisgemeinden das neue Angebot „Pflegestützpunkt mobil“ angeboten werden. Wir wollen dorthin gehen, wo die Menschen sind, in Senioren- oder Begegnungstreffs, bei Seniorenveranstaltungen oder auf Märkte.
Die Mobile Beratung ist aber kein regelmäßiges Angebot, sondern nur ein punktuelles. Dies dient auch der Öffentlichkeitsarbeit, da der Pflegestützpunkt immer noch nicht im gesamten Landkreis bekannt ist. Um alle Anfragen beantworten zu können, haben wir das Personal im Pflegestützunkt zum Jahresbeginn um eine halbe Stelle erhöht. Damit stehen nun 2,5 Stellen zur Verfügung.
Ist es denkbar, analog zur Kreisbehindertenbeauftragten auch die ehrenamtliche Stelle einer/eines Kreisseniorenbeauftragten zu schaffen?
Wir sehen den Kreisseniorenrat als wichtiges Organ an, das die Interessen der Senioren vertreten kann. Ob es darüber hinaus einen Kreisseniorenbeauftragten geben sollte, wird sicher auch die Seniorenkonzeption zeigen.
Welche Wünsche haben Sie an den Kreisseniorenrat?
Ich sehe den Kreisseniorenrat als einen unglaublich wertvollen Partner, der sich aktiv für die Belange der Altersgruppe der über Sechzigjährigen einsetzt. Ich finde es beeindruckend, was hier im Ehrenamt bewegt und gestaltet wird!
Bei der Unterstützung der Heimbeiräte und dem Ausbau von Besuchsdiensten durch Ehrenamtliche kann der Seniorenrat sicher gut unterstützen. Des Weiteren wären generationenübergreifende Projekte denkbar – beispielsweise ältere Menschen fördern junge Menschen im Berufseinstiegsprozess. Oder umgekehrt – junge Menschen trainieren Ältere im Umgang mit digitalen Medien. Weitere Punkte könnten das Initiieren von Veranstaltungen für Senioren sein oder auch die Beratung der Bildungswerke, welche Programme für Senioren attraktiv sind.
Nicht zuletzt freuen wir uns, wenn sich der Kreisseniorenrat im Beteiligungsprozess des Seniorenplanes mit einbringen wird. Wir freuen uns, wenn der Rat Ideen oder Konzepte an die Verwaltung heranträgt.